Frank Gruber - The Pulp Jungle

  • Bei diesem Buch dürfte es sich um einen der spannendsten Einblicke in die Welt der Pulps - der US-amerikanischen "Groschenhefte" - handeln; ein Einblick auch in die Köpfe derjenigen Menschen, die diese untergegangene Welt abseitiger Literatur bevölkerten: Autoren und Herausgeber.


    Es geht um Frank Grubers autobiographische Szene-Schilderung The Pulp Jungle (Sherbourne Press, 1967). Das Buch ist leider sehr rar, kann aber im Internet gelesen werden.





    Wer war dieser Gruber (1904 - 1969)? Im deutschsprachigen Raum dürfte er, so scheint es mir, nur eingefleischten Genre-Leser*innen ein Begriff sein. Gemessen an seiner eigenen Darstellung (unterstützt aber auch bspw. durch Aussagen des mit Gruber gut bekannten Schriftstellers und Kollegen Erle Stanley Gardner) war Gruber der Prototyp des "Hackworkers", ein Vielschreiber von Unterhaltungsliteratur unterschiedlichster Art mit dem eisernem Willen, in Publikumsverlagen und vielgelesenen Magazinen veröffentlicht zu werden - und damit vom Schreiben leben zu können. Daher legte sich Gruber nie auf eine bestimmte Richtung, auf ein bestimmtes Thema fest. Geschult an Größen wie dem Dime-Novel-Autor Horatio Alger und dem Western-Heroen Max Brand zieht Gruber in den 20er Jahren als Autodidakt von der Provinz in die Großstadt, um es als Self-Made-Autor zu Ruhm und Reichtum zu bringen. Der steinige Weg dorthin bildet den roten Faden von Grubers chronologisch aufgebautem Buch.


    Zitat von Frank Gruber

    And then one day I opened an envelope. [...] This envelope didn't contain a rejection slip, however. It had a letter - and a check for three dollars and fifty cents. [...] I had made it.


    Zwischen Inflation und Großer Depression läuft Gruber, der Junge aus der Kleinstadt, durch Chicago und sucht nach Möglichkeiten. Er investiert in ein Publikationsregister, um sich einen Überblick zu verschaffen und Adressen an der Hand zu haben. Er lernt zufällig Edwin Baird kennen, seinerzeit Herausgeber von Real Detective, und schneidet seine Storys auf den Pulp-Markt zu. Bei Highbrow- und Middlebrow-Heften wie dem Atlantic Monthly oder Colliers Magazine blitzt er regelmäßig ab. Während er sich kaum sein schäbiges Hotelzimmer leisten kann und von Fastfood aus Automaten-Restaurants lebt (er gibt zahlreiche Tipps, wie man sich um die Wochenmiete drücken und die Gerätschaften austricksen kann, wenn man besonders klamm ist), arbeitet er kurzzeitig als Redakteur für speziell auf die Landbevölkerung im Umkreis zugeschnittene Publikationen der Chicago Tribune und kann einige Texte in sog. Sunday School Publications unterbringen. Jahrelang kämpft der aufstrebende Schriftsteller derart ums Überleben. Der Durchbruch kommt, als er in den 30er Jahren nach New York zieht und sich in den dortigen Magazin-Dschungel wirft.


    Zitat von Frank Gruber

    There were in existence in 1934 some one hundred fifty pulp magazines. Street & Smith, which had been established in 1855, was possibly the most solid of all the pulp publishers. [...] The company put around thirty-five magazines, including "The Shadow", "Doc Savage", "Detective Story", "Love Story", "Western Story" [...]. Away downtown was the Frank A. Munsey Company, established by the fabulous Frank Munsey in 1887. Among its stalwarts were "Argosy", "All Story" [...], "Railroad Stories", "Munsey's Magazine" and "Detective Fiction Weekly". [...] Popular Publications had been in business only a few years [...]. At 144 West Forty-eighth Street was Standard Magazines, established in 1932 [...]. Dell Magazines was down on Thirty-fourth Street. [...] Warner Publications was at 515 Madison Avenue. The company owned [...] "Black Mask" [...]. Short Stories was at 9 Rockefeller Plaza. It was owned by William J. Delaney [...]. He later purchased "Weird Tales" also.


    Gruber ist mittlerweile Experte im Feld. Er weiß genau, welche Magazine gut gehen und welche Firma gut bzw. zuverlässig bezahlt. Er schreibt nun vorrangig Krimis (Hard-Boiled) und Western gemäß folgender Rangordnung:


    1. Black Mask

    2. Adventure

    3. Short Stories

    4. Argosy

    5. Detective Fiction Weekly

    6. Dime Western

    7. Dime Detective


    Er lebt auch im "Big Apple" weiterhin auf Sparflamme. Um Porto zu sparen, reicht er Manuskripte stets händisch ein. Da er die Fahrtkosten scheut, latscht er dafür tagtäglich quer durch die Metropole, wenn er nicht gerade seine alte Schreibmaschine beackert, sich Billigsuppe und Gratis-Cracker in Schnellrestaurants einverleibt oder sich durch Fensterfluchten vor der Zimmermiete drückt. Einmal gelingt ihm Letzteres nicht, sodass er die Nacht als Schwarzfahrer in einer U-Bahn verbringen muss. Er betreibt auch, was man heute "netzwerken" nennen würde: Er lernt relevante Akteure kennen, u. a. Arthur J. Burks und den auch nach seiner Pulp-Karriere sehr erfolgreichen Steve Fisher. Beim Klinkenputzen trifft er auch auf Lester Dent, den Erfinder von Doc Savage; auf Walter Gibson, den Erfinder von The Shadow; den späteren Sektengründer L. Ron Hubbard und auf Norvell Page, den Erfinder von The Spider.


    Letztlich schafft Gruber es, sich als Autor von Kurzgeschichten und Romanen zu etablieren. Ab Mitte der 30er Jahre ist er auf breiter Front gefragt, verdient sehr gut und kann sich mit seiner Frau ein Haus leisten. Am Ende seiner Laufbahn wird er ca. 300 Stories und um die 60 Romane veröffentlicht haben. Er wird kaum eines der großen Magazine dabei ausgelassen haben, vor allem mit der Geschichte seiner Nummer 1 - Black Mask, dem 1920 von H. L. Mencken gegründeten Heft, für das auch global anerkannte Autoren wie Hammett, Chandler und Cornell Woolrich sowie berühmte Genre-Schriftsteller wie Vincent Starrett, Carroll John Daly und Paul M. Cain schrieben - ist Grubers Name rückblickend eng verbunden. Dass er auch phantastische Stoffe schrieb, zeigen Veröffentlichungen z. B. in Weird Tales. Später werden Filme und TV-Serien nach seinen Vorlagen gedreht. Die Presse nannte ihn einmal "The American Edgar Wallace".


    So bietet Frank Grubers The Pulp Jungle einen flott geschriebenen und kurzweiligen Einblick in das Leben eines Berufsschreibers verschiedener Unterhaltungsliteratur und sein berufliches Umfeld. Bemerkenswert ist allerdings, dass es nur wenig um Literatur geht. Streckenweise liest sich das Buch eher für eine ökonomische Analyse, denn Gruber orientiert sich knallhart an der Nachfrage und interessiert sich nur am Rande für Kunsthandwerk. Für ausgemachte "Hochliteraten" hat er gar nur Hohn und Spott übrig. Bei ihm muss die Kasse klingeln, was aus seiner Sicht gleichbedeutend damit ist, das Publikum in den Ansprüchen befriedigt zu haben.


    Für allem für Leser*innen Kriminalliteratur der "harten Schule" und Liebhaber*innen klassischer Pulp-Figuren sind Grubers Erzählungen aus der damaligen Szene von hohem Interesse. Auch um Western geht es viel: Die kurze Recherche zeigt, dass Gruber bei uns vor allem in dieser Sparte bekannt sein dürfte, übersetzt wurde er für einschlägige Reihen der Häuser Bastei-Lübbe (Herrscher über weites Land, John, der Rächer und Die Kansas-Geier) und Heyne (Er kam aus der Hölle, Sein Colt musste schweigen) bzw. Goldmann (Die goldene Fährte), wobei sich auch Krimi-Stoffe finden, z. B. in der Reihe Super-Krimi des Xenos Verlags (Rufen Sie den Leichenwagen, Goldraben) - wobei selbiger Verlag auch den Super-Western hatte (Unerbittlich, Mit eiserner Hand). Sollte sich in einer Anthologie eine phantastische Geschichte aus Grubers Feder finden, wäre ich daran sehr interessiert, bislang habe ich keine gefunden.

  • Nils, schau mal hier

    Ah ja, ein bisschen was ist also vorhanden. Kurt Singer mal wieder, wie ich feststelle.



    Interessante Artikel über Pulps, Pulpautoren samt übersetzten Geschichten gibt es von Matthias Käther in Zwielicht.

    Mittlerweile sind zwei als Sammelbände bei Blitz erschienen.

    Die Artikel sind natürlich bekannt und ich habe auch beide Blitz-Anthologien, jedoch habe ich dort - sofern ich nichts übersah - keine Spur von Frank Gruber entdecken können.

  • Ich denke, Western und Krimis dürften auch übersetzt worden sein bzw. eine Suche könnte sich lohnen.

    Verhältnismäßig viele, da hatte ich ja bereits ein paar Titel genannt. Ist natürlich speziell, aus meiner Sicht jedenfalls, meinen letzten Western-Roman habe ich als Jugendlicher gelesen. Von Grubers hard-boiled-Storys kenne ich ein paar im Original, die sind recht in Ordnung, solides Handwerk mit bekannten Zutaten, jedoch wohl nur für Leute, die nach den großen Namen der Sparte noch mehr wollen. Regelrechte Kriminalromane von Gruber habe ich nicht gelesen. Dass sein Western-Stil in seine Krimis hinüberschwappt, wie du auf deinem Blog schreibst, wundert mich gar nicht.

  • Eine tolle Vorstellung! In dem Fall ist der Hinweis auf das digitale Archivexemplar Gold wert … das man nämlich spart, wenn man sich die sündhaft teuer angebotene Hardcopy verkneift.


    Und was für ein Kontrastprogramm zur Biografie von Clark Ashton Smith oder Lovecraft. Bedenkt man ihre Herangehensweise an den Pulpmarkt, so können sie im Vergleich zu Gruber nur als blutige Dilettanten gelten. Den Grund für diese unterschiedlichen Vorgehensweisen führst du ja an:

    Bemerkenswert ist allerdings, dass es nur wenig um Literatur geht. Streckenweise liest sich das Buch eher für eine ökonomische Analyse, denn Gruber orientiert sich knallhart an der Nachfrage und interessiert sich nur am Rande für Kunsthandwerk. Für ausgemachte "Hochliteraten" hat er gar nur Hohn und Spott übrig. Bei ihm muss die Kasse klingeln, was aus seiner Sicht gleichbedeutend damit ist, das Publikum in den Ansprüchen befriedigt zu haben.

  • In dem Fall ist der Hinweis auf das digitale Archivexemplar Gold wert … das man nämlich spart, wenn man sich die sündhaft teuer angebotene Hardcopy verkneift.

    Ich stimme zwar grundsätzlich zu, bin aber dennoch unrettbarer Print-Leser. Ich habe speziell nach diesem Buch lange gesucht, bis ich ein erschwingliches Angebot finden konnte. Gewiss eine Schwäche meinerseits, aber: Bevor ich ein ganzes Buch am Bildschirm lese, lese ich es schlicht gar nicht. Für die schnelle Suche und das kostenlose Nachschlagen sind solche Scans indes natürlich unendlich bereichernd - und ein echter Gewinn für jede Person, die sich mit der digitalen Lektüre weniger schwer tut.


    Und was für ein Kontrastprogramm zur Biografie von Clark Ashton Smith oder Lovecraft. Bedenkt man ihre Herangehensweise an den Pulpmarkt, so können sie im Vergleich zu Gruber nur als blutige Dilettanten gelten.

    Für Lovecraft stimmt das ohne Weiteres. Es ist fast schon surreal, Grubers und Lovecrafts Lebensläufe nebeneinander zu legen. Hier der "arme Poet", der pure Ästhet, der sich quasi nie dem Markt beugte (die dicksten Summen strich er ja für Storys ein, die Freunde ohne sein Wissen vertickten, oder?), da der Prototyp des Zeilenschinders, des "Pulpisten". Wenn man weiß, wie Sprague De Camp von Lovecraft dachte in diesem Punkt, kann man sich Grubers Ansicht leicht vorstellen. Womit ich mich freilich nicht auf Grubers Seite schlagen will.


    Bei CAS sieht die Sache aber doch nochmal etwas anders aus, oder? Er mag zwar mit Lovecraft ideell zusammen gehen und natürlich machte er besonders seine bildende Kunst hauptsächlich für sich selbst, jedoch vermochte er es ja, magazingerecht in die Tasten zu hauen, um den Lohn einzustreichen und seiner Wege zu gehen. Neulich gerade las ich eine Geschichte von ihm, die so offensichtlich für den Pulp-Markt geschrieben wurde, dass man es fast nicht glauben konnte. Aber das Zeug verkaufte sich. Lovecraft konnte sich dazu nicht durchringen, und wenn es doch mal etwas ähnliches bei ihm gab (Herbert West), dann rollte der Rubel nicht gerade, weil er sich nicht feilbot.