Stefan Grabinski - Kurzgeschichten

  • Unfall


    Eine Eisenbahngeschichte. Mann und Frau lernen sich im Zug kennen und lieben. Das Besondere: Über anderthalb Jahre führen sie diese geheime Beziehung nur im Zug. Denn die Frau ist verheiratet. Und wie es kommt, ob es das Schuldgefühl ist oder was anderes: Sie fühlt sich verfolgt und sieht ihren Mann, obwohl es immer Fremde sind.

    Als die Frau eines Tages Mal wieder den Zug verlässt, steigt ihr Ehemann dazu und gesellt sich in das Abteil, das als Liebesnest dient, ahnt aber nichts davon. Der Liebhaber beginnt ein Gespräch und das Schicksal nimmt seinen Lauf.


    Tolle Geschichte, die mit Feinheiten und Hoffnungen spielt und in der das Übersinnliche vage, aber entscheidend bleibt.

  • Projektionen.


    Tadeusz Sniezkos Tagebuch berichtet, dass er auf dem. Nachhauseweg ein verfallenes Kloster entdeckt. Wenig später zeigen sich Schattenrisse in seiner Wohnung. Beides hängt miteinander zusammen. Am Ende die dunkle Geschichte des Klosters mit Sniezkos Schicksal.


    Eine sehr atmosphärische Gruselgeschichte. Klasse.


    Zeuge Materna kenne ich schon aus einer Anthologie. Sehr lesenswert, trotzdem erspare ich mir im Moment eine erneute Lektüre.


    Fazit: Das graue Zimmer ist ein sehr lesenswertes Buch, das zwar Abwechslung bietet, aber ich bin dennoch froh, mir zwischen den Geschichten Zeit gelassen habe, so stören Ähnlichkeiten weniger und die einzelnen Stories kommen besser zur Geltung, sind aber auch weniger ermüdend.

  • Ich erweitere mal meine Lesereise zu Grabinski mit weiteren Geschichten. Erstmal verweise ich auf die Storys aus Feuersignale und kopiere meine Meinung hierher:

    Feuersignale – Hommage à Stefan Grabiński (Hrsg. Silke Brandt)


    Der verlassene Ort (1922)

    Der verlassene Ort ist eine Hommage an das Bewahren, an das Festhalten. Sowohl im Guten, schließlich sollte man in unserer schnelllebigen Zeit auch dem vergangenen Moment einen Anker geben. Allerdings, so auch in der Geschichte, ist das Verweilen im Gestern am Ende auch ein Untergang, der hier allerdings, wie jeder Tod, in den ewigen Frieden führt.


    Szateras Engramme (1926)

    Szateras Engramme zeigt die Macht des Schreckens und wie er in der Gegenwart verharrt und wie Szatera davon besessen wird, es immer wieder aufleben zu lassen, bis er zum äußersten greifen will. Aber anders als in den meisten anderen Geschichten, hindert ihn eine gute Macht und so wird ein schreckliches Ereignis verhindert, dafür findet Szatera seine endgültige Bestimmung.


    Die Parabel vom Tunnelmaulwurf (1926)

    Die Parabel vom Tunnelmaulwurf berichtet davon, dass unsere Menschlichkeit, die Art wie wir sind, sehr von den Umständen geprägt ist und wie sich das in wenigen Generationen, fernab vom Sonnenlicht, ändern kann und wie sehr auch Andersartigkeit sehr menschlich sein kann.

    Großartige und auch sehr gruselige Geschichte.


    Pyrotechnik (1922)

    Pyrotechnik ist dagegen eher eine Fantasy über verlorene Liebe und jemand Zweifelhaftem, der sich am Ende selbst die Ruhe am Firmament gibt. Diese Story war anders, ohne Eisenbahn und auch irgendwie seltsam.


    Vorliegen habe ich jetzt den Band Das Abstellgleis:

    Publication: Das Abstellgleis und andere Erzählungen (isfdb.org)


    Offen zur Lektüre sind folgende Geschichten:

    Der Rest sollte schon in Das graue Zimmer enthalten sein.

  • 7 • Das Abstellgleis • (1971) • short story by Stefan Grabiński? (trans. of Ślepy tor? 1919)


    Im Zug berichtet einer über besondere Züge, die dort beseelt werden. Der erste Zug bringt Leute zum lachen, der andere verjüngt und so weiter. So findet der Erzähler dreizehn Zuhörer, die mit ihm Anhänger des Abstellgleis werden und die Züge beseelen. Etwas sehr esoterisch, aber doch beeindruckend erzählt und man fühlt selbst den eigenen Geist in einen Zug einfahren, so intensiv ist das. Tolle Erzählung.

  • Das Abstellgleis • (1971) • short story by Stefan Grabiński? (trans. of Ślepy tor? 1919)

    Ganz genau. [Cof]


    Der Rest sollte schon in Das graue Zimmer enthalten sein.

    Es gibt noch eine weitere Eisenbahngeschichte für die Liste: "Die sonderbare Station" aus der erweiterten 2. Auflage des Demon ruchu, sie erschien auf Deutsch nur in: Fahrt durch die Unendlichkeit - Klassische Science Fiction Geschichten. Das Neue Berlin, 1988.

    Hatte ich in der Aufstellung sämtlicher Zuggeschichten im CLN 2 mitbesprochen, fand ich leider recht mässig (eine etwas esoterische Variante des Snowpiercer, die genau so läuft, wie man das am Anfang erwarten konnte).


    Eine weitere gibt es nicht auf Deutsch, aber ist in Lipinskis Motion Demon (die erste Ausgabe des Demon ruchu komplett übersetzt) enthalten: "The Perpetual Passenger". Hat mir sehr gut gefallen, tragisch-traurig.

    Diese Story war anders, ohne Eisenbahn und auch irgendwie seltsam.

    Das ist natürlich ein Nachteil, wenn man auf ein 'normales' Vorwort verzichtet: Feuersignale ist nicht nur als Hommage an den Dämon der Bewegung gedacht, sondern auch ans Buch des Feuers (woraus diese Geschichte stammt). Mich hatte selbst überrascht, dass keiner der Beitragenden das Thema 'Feuer' allein verarbeitet hat, ohne Zug.


    Spannende Rezis, Mammut! :*

  • Mammut

    Hat den Titel des Themas von „Stefan Grabinski - Das graue Zimmer“ zu „Stefan Grabinski - Kurzgeschichten“ geändert.
  • So, nachdem ihr mir den Mund wässrig gemacht habt mit eueren Kurzbesprechungen, hab ich mir das Buch auch via Medimops bestellt. Wandert oben auf den SuB, zuerst Totenschein, dann Harry Thürk und dann der Grabinski.

  • BTW: Wie bist Du denn auf Harry Thürk gekommen? Und welches Buch nimmst Du Dir da vor?

    Ist hier OT, kann ein MOD gerne woandershin verschieben.[shnt]

    Meine Frau hat vor vielen Jahren mal längere Zeit in Malaysia gerabeitet und wir kennen daher das Land recht gut. Ich bin kürzlich rein zufällig auf" Lotos aus brennenden Teichen" gestoßen, der den Angriff der Japaner auf Malaya (so heißt das Land nämlich wirklich) beschreibt, den Widerstand der Malayen und ihren Versuch, sich zu organisieren, hintertrieben wie üblich von den Engländern, die letztendlich als die Gewinner aus der Sache hervorgegangen sind. Das Buch ist, was Örtlichkeiten, Verhalten und Eigenarten der Malyen und den historischen Ablauf angeht, sehr gut geschrieben, man sieht deutlich, dass sich Harry Thürk in Malaya wirklich auskannnte. Zum Ende hin wird's etwas hopplahopp, aber ok. Den Folgeroman "Der Wind stirbt vor dem Dschungel" habe ich auf dem SuB, leider nur in der häßlichen Paperbackausgabe aus dem Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik. Den Lotos habe ich im Hardcover.

    Wie gesagt, OT, kann gerne verschoben werden.

  • Immer wenn der Schmutzkerl auftaucht, so weiß es Oberschaffner Blazek Boron, passiert ein Unglück. Dreimal hat er es schon erlebt. Als er ihn diesmal sieht, scheint alles gut zu gehen.

    Aber nur fast. Den Boron ist vom Schmutzkerl besessen.


    Wie immer eine böse, irgendwie auch deprimierende Geschichte. Intensiv erzählt, wie immer, mit der Liebe zur Eisenbahn und zur Fortbewegung, doch fast glaubt man, dieses Mal nimmt die Geschichte ein gutes Ende. Doch weit gefehlt.

  • Bezugnehmend auf den Aufsatz "Stefan Grabinskis Dämon der Bewegung" in der zweiten Ausgabe des "Cthulhu Libria Neo"-Magazins zum Thema "Horror in Eisenbahnen" möchte ich darauf hinweisen, dass die Kurzgeschichte "Der verlassene Ort" keineswegs - wie dort bemerkt - unübersetzt ist, sondern sich unter dem Titel "Die verlassene Strecke" in den Anthologien "Gespenstergeschichten aus Polen" sowie "Der dämonische Liebhaber. Unheimliche Geschichten" findet.

  • - wie dort bemerkt -

    Da sich das ja im Grunde an mich richtet (oder getaggt richten sollte): Ich bin ganz ehrlich, dass ich von dem Buch nichts wusste. Ich war sicher, dass alle Grabinski-Texte in Feuersignale bislang nicht uebersetzt waren. Bei dem Text umso schwieriger zu bemerken, als dass die wörtliche Uebersetzung des Titels lautet: "Der taube Raum". Es ist ein Wortspiel, das nur durch die uebertragene Bedeutung (die sich fuer polnische Muttersprachler auch heute noch erschliesst, wie mir ein polnischer Bekannter gesagt hatte) die relevante Bedeutung bekommt.


    Ich lehne mich ausserdem mal aus dem Fenster: Wie unserer engl-poln Uebersetzer in den Fussnoten anmerkt, verwendet Grabinski nicht nur in dieser Geschichte einen alten Begriff, der gleichermassen "Ort" wie auch "Gleis" bedeutet. Der Titel wird von Grabinski im allerletzten Absatz noch einmal aufgegriffen, als er sagt: Es wurden Geistererscheinungen beobachtet, nachdem in dem Tal keine Zuege mehr fuhren. Dieser Spuk hörte erst auf, als alle Gleise und Anlagen schliesslich abgebaut waren - dann erst sei der 'Ort wirklich verlassen'.

    Die Geschichte mit der alternativen Bedeutung 'verlassenes Gleis' zu betiteln, ist daher bissl Quark, denn am Ende geht es ja genau um den Ort, an dem nichts mehr an Gleise erinnert - es ist ein verlassener Ort, keine verlassene Strecke. (Das war sie nur zwischendurch, sozusagen).


    Mit einer Hand auf dem Herzen versichere ich jedenfalls, keinen Etikettenschwindel betrieben zu haben. Schade, dass der Einwand erst jetzt kommt, sonst hätte ich das auf dem Buchruecken entsprechend formuliert (die Geschichte aber dennoch neu uebersezten lassen, weil ich denke, dass sie es wert ist, mit einem 'historischen' Blick angegangen zu werden).


    Wie Mammut / Michael aber bereits anmerkte, stellt meine Uebersicht im CLN 2 explizit keine lueckenlose Bibliographie dar (und sollte es auch nicht).

  • Danke Katla für deine Rückmeldung. Ich finde es äußerst löblich, dass du dich Grabinski für eine deutschsprachige Leserschaft angenommen hast. Ich wollte dir keine unehrenhaften Absichten unterstellen. Durch deinen Grabinski-Beitrag im "Cthulhu Libria Neo"-Magazin bin ich übrigens auf Sigismund Krschischanowski aufmerksam geworden. Hast du zufällig das Buch "Lebenslauf eines Gedanken" gelesen? Leider konnte ich über den Inhalt nichts in Erfahrung bringen. Antiquarisch ist es leider nur für eine stolze Summe aufzutreiben.

  • Hallo,

    ah, dann ist ja gut, die anonyme Bemerkung klang etwas seltsam, ich bin ja im Forum aktiv.


    Zum Lebenslauf eines Gedankens kann ich dir leider nichts sagen, ich lese Krzhizhanovsky nur auf Englisch und da auch nur die drei ernsten Werke, der Rest ist mir zu schwank-artig/humorig.

  • Godziemba ist ein Mann, der außerhalb des Zuges depressiv, in einem Anteil dagegen manisch ist. Er freundet sich während der Fahrt mit einem Pärchen an, als der Mann schläft, fallen die beiden in Begierde übereinander und vereinigen sich. Der Mann wird wach, es kommt zum Kampf und der eigentlich schwächliche Godziemba ermordet den Mann und die Frau wirft ihm sich weiterhin an den Hals. Mit dem Ziel Venedig steigen sie im nächsten Ort aus, doch außerhalb des Abteils verlässt den Mörder alle Zuversicht und er flieht alleine in die Nacht.


    Ein heftige und frivole Geschichte. Sehr intensiv.

  • Ist auch unter diesem Titel erschienen:


    Der irrsinnige Zug ist eine Geschichte über gestörte Ordnung. Ein Zug geistert durch die Gleise und es droht ein Unglück. Aber am Ende ist es nur ein Geisterzug.

    Nicht überragend, aber doch alles in allem lesenswert.