Bevor jetzt mit Unterstellungen und allzu viel Subjektivem gearbeitet wird, wäre vielleicht zu klären, was hier genau unter "Männlichkeit" und "Kult" verhandelt wird.
dass der Film ein spezifisches Männerverhältnis abbildet
Schon hier wird es mir zu diffus. Natürlich zeigt der Film das Verhältnis zweier als "männlich" (im Sinne der Biologie) erkennbarer Menschen. Spezifisch wird es dadurch, dass es um zwei hierarchisch ungleich geordnete Lohnarbeiter auf engstem Raum geht. Spezifisch wird es aus meiner Sicht nicht dadurch, dass es sich um zwei "Männer" handelt - hier wird sonst bereits viel subjektive Zuschreibung hineingelegt, die an griffigeren Erklärungsansätzen vorbei führt. Was wäre denn eben diese "Männlichkeit", die sich in diesem Verhältnis hier grundlegend niederschlagen soll?
Die Art der Verhandlung von Machtansprüchen (verbal und körperlich),
Wo genau ist hier die "Männlichkeit" bzw. der "Männlichkeitskult" zu bemerken? Ich sehe hier eine krasse Machtasymmetrie, begründet durch den Fakt, dass Dafoes Charakter ein alter Hase ist im Beruf des Leuchtturmwärters sowie durch die erkennbare Tatsache, dass er vom Arbeitgeber (wer auch immer das bzgl. des Leuchtturms ist) mit Weisungsbefugnis ausgestattet ist. Er darf kommandieren, er darf überwachen, er darf strafen. Er darf sogar Empfehlungen hinsichtlich der Besoldung und der weiteren Anstellung aussprechen. Dass hier Konfliktpotential liegt, dürfte kaum zu bestreiten sein.
Was ich hier nicht sehe, sind zwei "Männer" die "typisch männlich" um Macht balgen oder dergleichen. Dass es aufgrund der psychischen Extremlage irgendwann zu Übergriffen etc. kommt, lässt sich m. E. ebenfalls nicht dadurch erklären, dass hier zwei "Männer" agieren.
das zerstörerische Trinkverhalten
Selbst wenn man Zahlen hätte, die belegten, dass solches Verhalten eher männlicher Natur ist insgesamt (vielleicht hat man die sogar), sehe ich hier keinen spezifischen Männlichkeitsritus am Werke. Dafoe ist offenbar Trinker, er hat daher viel Alk gebunkert, und irgendwann betrinkt man sich kollektiv, da es langweilig ist, man seine Umwelt ausblenden will etc. Aber man betrinkt sich hier doch nicht, um sich gegenseitig in seiner Geschlechtlichkeit zu feiern. Dass Kontrollverluste im Rausch gezeigt werden, ändert an dieser Einschätzung nichts. Wer behauptet, derbe Gesänge und Seemannstänze würden "Männlichkeit" feiern, der übersieht andere, entsprechende Situationen konstituierende Einflüsse, wie ich meine.
die sagenhafte Vorstellung von Frauen – schwankend zwischen Verlangen und Furcht (s. den Traum der angespülten Meerjungfrau) – sowie ihre aufs Körperliche beschränkte Darstellung als Vorlage zur Onanie, schließlich: die Vernichtung derselben (alles von dir harmlos als „sexuelles Begehren“ bezeichnet)
Hier sehe ich natürlich, dass kritisch auf die durch "Männer" vorgenommene Konstruktion "der Frau" geschaut wird. Allerdings auch hier wieder meine Frage: wo wird aus Sicht eines "Männerkultes" operiert? Ein Kult stellt bestimmte Spezifika in den Mittelpunkt, um sie affirmativ zu zelebrieren bzw. auf einen Sockel zu heben. Ich muss es noch einmal fragen: Wo und wann im Film soll das geschehen?
Ich bemühe lieber Ockhams Rasiermesser und weise auf psychologisch einsehbare Momente hin. Pattinsons Figur scheint im Leben eher als gebeutelter Versagertypus umher zu ziehen, hat so ggf. weniger Erfolg bei potentiellen Sexualpartnerinnen bzw. ist nicht im Stande, eine stabile Beziehung einzugehen. Dass er sich dann sagengestaltige Frauenwesen erträumt, denen er in Visionen unter bestimmten Umständen begegnet, in denen sich Verlangen und Furcht ausdrücken (recht klare Eigenschaften von Sexualität - die nicht "harmlos" ist, dies eine Unterstellung deinerseits); dass er dann sexuelle Triebabfuhr durch Onanie betreibt (ein recht normales Verfahren, wie mir scheinen will) und dass er dann seine Aggression durch Zerstörung abführt - all diese Phänomene scheinen mir eher empirisch einsehbare Befunde auf der psychologischen Skala zu sein, als Ausdrücke "kultischer Männlichkeit". Dass möglicherweise eine soziale Formung vorliegt, die derartige psychologische Momente vorbedingt und die mittelbar durch die filmische Darstellung kritisiert werden soll, ist eine Idee, die ich spannender und plausibler finde.
Ich würde weiterhin gern etwas substantiellere Belege für deine Interpretation haben als wenig ergiebige Selbstreferenzen und Common-Sense-Anrufungen á la "Schau doch mal richtig hin".