Sofi Oksanen und die Geister der Vergangenheit (ARTE DE)


  • Die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen als "schillernde Persönlichkeit" zu bezeichnen, wäre sicher noch eine Untertreibung. Mich freut aber, dass sie weniger über ihre Outfits und ihr Markenzeichen - die schwarz-bunten Extensions - wahrgenommen wird, als über ihren extrem harten und gleichzeiteitig poetischen Schreibstil. Als vor Jahren ihr Erstlingswerk Puhdistus (Dt. Fegefeuer, wörtlich allerdings: 'Säuberung', hier im politischen Sinne gemeint; engl: Purge) veröffentlicht wurde, gab es einen regelrechten Hype, an dem sich der Künstler-Underground wie auch die Maintream-Medien gleichermaßen beteilgten. Als ich eine finnische Freundin fragte, was so gut an dem Buch sei, meinte sie: "Sofi sagt einfach, wie es ist". Das mag banal klingen, aber wenn man das Buch liest, wird klar, dass diese extrem harsche, schonungslose Sichtweise wirklich außergewöhnlich ist.


    Abgesehen davon, dass sie bis vor einigen Jahren bei mir um die Ecke wohnte, erlebte ich sie auf Lesungen, bei denen Punks neben spießigen Omas saßen ... Das ist wirklich eine ungewöhnliche Autorin, die einfach über alle Grenzen hinweg begeistern kann.

    Anders als in den meisten Besprechungen angedeutet, hat der Roman spekulative Momente. Auch entsprechen die ganze Atmosphäre und ihre Erzählhaltung spekulativer Fiktion bzw. Magischem Realismus.


    ARTE stellt den Hintergrund bzw. Herkunft der Autorin vor und nennt sie, mAn zu Recht, "die einflussreichste Schriftstellerin Nordeuropas". Auch wenn sich hier der spekulative Moment auf den - auch "real" - herumspukenden Geist einer russischen Adeligen beschränkt, über die Oksanen eine (mir bisher unbekannte) Erzählung schrieb, ist die 14-minütige Doku vielleicht ein Anreiz, mal in das Buch zu lesen. Es hat seinen festen Platz in meiner Top 10 (auch auf Deutsch gut übersetzt).


    Minuspunkte leider: Man lässt die Autorin selbst nicht zu Wort kommen; der Sprecher schafft es nicht, einen einzigen Namen halbwegs korrekt auszusprechen, angefangen bei "Soffi" und der falschen Betonung ihres Nachnamens. Naja ... Auch die Kamera lässt zu wünschen übrig. Dennoch als kleiner kulturhistorische Teaser zum Hintergrund ihrer Bücher ganz interessant. Besonders, weil er ein in Deutschland weitgehend ignoriertes Kapitel der Geschichte des Faschismus zeigt. (Reisetipp für irgendwann post-corona: Das Okkupationsmuseum in Tallinn!)


    https://www.arte.tv/de/videos/…-QALOiPhoLNoOIPmaI9fNXi8A