Garth Ennis - The Boys: Dear Becky


  • "Zwölf Jahre nach der letzten Schlacht leben Hughie und Annie in Schottland und genießen den Frieden. Doch dann kommt mit der Post Butchers Tagebuch bei Hughie an, und das enthüllt Dinge über Butchers einst recht hoffnungsvolles Leben, seine große Liebe Becky sowie frühere, bereits mächtig brutale Missionen der Boys, die Hughie lieber nicht erfahren hätte ... Prequel und Sequel zugleich gefällig? Eine brandneue Geschichte zum Comic-Bestseller und Amazon Prime-Hit THE BOYS, inszeniert von Autorenlegende und THE BOYS-Schöpfer Garth Ennis (PREACHER, PUNISHER) und Zeichner Russ Braun (THE BOYS, JIMMYS BASTARDE)."



    Meinung:

    9 Jahre nach dem großen Finale hat Ennis also wieder eine The Boys-Story verfasst. Wäre das wirklich nötig gewesen?

    Im ersten Heft gibt der Schotte jedenfalls schon mal Vollgas und kotzt sich ordentlich aus. U.a. lästert er über die Selbstgefälligkeit der Woke-Kultur, die Verkrampftheit von Cis-Männern, transphobe Vollidioten, den „Schwanzlurch im Weißen Haus“, den „beschissenen Brexit“ - Kurzum, darüber dass „der ganze Planet gerade in Flammen steht.“ Am Ende erheben Hughie und seine Freundin dann frustriert ihr Glas. Sie trinken jedoch nicht auf eine bessere Zukunft, sondern "darauf dass es wenigstens etwas langsamer schlimmer wird.“ Prost!

    Ach, und außerdem wird einem kleinen Kind noch die Zuge rausgeschnitten, damit es den "Zauberspruch" nicht mehr aufsagen kann, der es in einen Superheld verwandelt (vgl. Shazam von DC). Und mit einem bekloppten Pfarrer, der permanent zum Leser spricht, bekommen wir es auch noch zu tun. Inzwischen ein ziemlich ausgelutschter Meta-Gag (der vielleicht noch bei Morrisons Animal Man-Run originell war), hier aber trotzdem für ein paar Lacher sorgt. Besonders da Ennis in diesen Szenen seiner Blasphemie freien Lauf lässt.

    Und wo wir gerade beim Thema Religion sind: Einen Superheld, der sich Sex Vicar nennet und ein Kollar (ansonsten aber fast nichts) trägt, gibt es auch noch. Nicht besonders subtil, aber immerhin sind wir hier ja auch bei "The Boys".

    Das Niveau des Auftakts hält Ennis aber leider nicht bis zum Ende durch. Die Handlung rund um die Beziehung von Hughie und Annie ist zweifellos gelungen, stellt jedoch nur den Rahmen dar. Der Hauptteil von "Dear Becky" spielt nämlich in der Vergangenheit. Primär geht es dort um eine gigantische Verschwörung voller Intrigen, Nazi-Wikingern und ethnischen Säuberungen. Besonders Marvel's Thor kriegt dabei sein Fett weg. Alles in allem eine nette Geschichte aus dem Boys-Universum, die auch problemlos in der Hauptserie Platz gefunden, die man mMn aber nicht wirklich gebraucht hätte. Außerdem ist das Ganze mit 8 Heften deutlich zu lang geraten und endet dann auch noch völlig unspektakulär im erwarteten Blutbad.

    Um die Liebe zwischen Butcher und Becky geht es (anders als der Titel vermuten lässt) übrigens eher am Rande. Das ist aber durchaus verschmerzbar, da Ennis bei den Rückblenden zu keiner Zeit die Emotionalität und Tiefe von "Butcher, Baker, Candlestickmaker" erreicht.



    Fazit:

    Für Fans der Comics bietet "Dear Becky" sicher eine nette, aber auch eine völlig unnötige Ergänzung. Die Miniserie wirkt auf mich so, als hätte Ennis aufgrund der erfolgreichen Verfilmung einfach eine verworfene Geschichte aus der Schublade gezogen und noch schnell um eine (gelungene) Rahmenhandlung ergänzt. "Dear Becky" macht dabei jedoch ziemlich deutlich, dass die Serie eigentlich auserzählt war und keiner Ergänzungen mehr bedarf.

    Immerhin: Wäre das Ganze damals in der Hauptreihe erschienen, wäre es definitiv nicht negativ aufgefallen. Und das ist mehr als die meisten "erzwungenen" Fortsetzungen alter Erfolgsserien( siehe z.B. Chew und Fables) von sich behaupten können. (7/10)

  • Cheddar Goblin

    Hat den Titel des Themas von „Garth Ennis - The Boys: The Becky“ zu „Garth Ennis - The Boys: Dear Becky“ geändert.
  • Hmmmm, ich habe mir damals den letzten Arc schon erspart, weil ich mir das gute Ende nicht verwässern lassen wollte. Ich werde also passen.

    Gleichzeitig wäre ich auf neue Arbeit von Ennis gespannt, wenn sie wie A Walk Through Hell ausfällt.

    Ich finde es ja immer ein bisschen traurig, wenn sich Autor*innen im Lichte einer Verfilmung dazu bereitfinden, eine eigenlich fertiggestellte Geschichte neu aufzuwärmen, nur um dem jeweiligen Verlag zu ein bisschen Kohle zu verhelfen. Geht selten gut, entspricht aber leider dem Zeitgeist. Da lobe ich mir doch Alan Moores Konsequenz. Für mich kann ich mir nur hoffen, dass ich -- sollte ich jemals in diese Lage kommen, was zu bezweifeln ist -- dieselbe Sturheit besitze und eine fertige Geschichte auch angesichts lukrativer Versprechungen ruhen lassen kann.

  • Hmmmm, ich habe mir damals den letzten Arc schon erspart, weil ich mir das gute Ende nicht verwässern lassen wollte.

    Echt?! Ich fand den Epilog damals absolut großartig und mindestens so gut wie das eigentliche Finale. Meiner Meinung nach hast du da echt was verpasst.

    Gleichzeitig wäre ich auf neue Arbeit von Ennis gespannt, wenn sie wie A Walk Through Hell ausfällt.

    Definitiv! "A Walk Through Hell" war ziemlich stark. Zuletzt brachte Ennis ja leider nur noch irgendwelche Spionage- oder War-Stories raus. Not my cup of coffee.

    Ich finde es ja immer ein bisschen traurig, wenn sich Autor*innen im Lichte einer Verfilmung dazu bereitfinden, eine eigenlich fertiggestellte Geschichte neu aufzuwärmen, nur um dem jeweiligen Verlag zu ein bisschen Kohle zu verhelfen. Geht selten gut, entspricht aber leider dem Zeitgeist. Da lobe ich mir doch Alan Moores Konsequenz.

    Da bin ich 100% bei dir. Ich bin aber leider selten so konsequent wie du, kauf mir den Kram trotzdem und bin dann anschließend enttäuscht. Sogar die "Before Watchmen"-Bände hatte ich mir damals geholt :/. Wie gesagt, macht Ennis dabei jedoch eine überraschend gute Figur. Verzichtbar bleibt die Miniserie aber trotzdem.