JR Pinto: Wolf Mountain - A Werewolf Novel of Haiti

  • JR Pinto: Wolf Mountain - A Werewolf Novel of Haiti

    Designed by Titans (PoD/Self-Publishing?) 2015

    TB 191 Seiten, auch erhältlich als eBook


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    Haiti hat als erste freie schwarze Republik eine unfassbare Reihe von Katastrophen und Unglücken erlebt und dennoch eine vielfältige, innovative und extrem interessante Kulturszene hervorgebracht.

    Nach der Diktatur 'Papa Doc' Francois Duvaliers (und später seines Sohnes, 'Baby Doc'), die sich auf okkulten Personenkult, die Tonton Macoutes (angeblich Zombies), Terror, Folter und Mord stützte, erlebte Haiti eine de facto Besatzung durch die USA, Wirbelsürme, Hungersnöte, mehrere Erdbeben wie das von 2010, durch das 300.000 Menschen starben und wonach nepalesische UN-Hilfskräfte noch die Cholera einschleppten. 280.000 Menschen infizierten sich damit und 4680 starben, die Krankheit ist bis heute nicht besiegt.


    Haitianische Kunst & Kultur entsteht sowohl auf der Insel selbst wie auch in der Diaspora, v.a. den USA. Einige Kunstwerke/Gemälde sind von den Veves inspiriert, Symbole des Voudun, und die postmoderne Literatur kann so mit traditionellen Legenden und Bräuchen durchsetzt sein, dass der Eindruck eines subtilen Magischen Realismus entsteht, obwohl nicht unbedingt Paranormales behandelt wird. Bestes Beispiel wären hier die Frühwerke von Etwidge Danticat, wovon mir ihre Sammlung Krik? Krak! am besten gefiel. Das Buch wurde 1988 verfilmt unter Krik? Krak! Tales of a Nightmare. Andere Bücher von ihr sind mir zu romantisch oder zu christlich.


    Pinto ist ein Filmemacher haitianischer Herkunft, der in den USA lebt und dort wie auch auf Haiti arbeitet. Nach einer Karriere in Film & TV wechselte er zu creative writing / Reisejournalismus und unterrichtet heute auch 'travel writing'. Wolf Mountain ist sein erster veröffentlichter Roman, der von einem Artikel über den Lynchmord an einem 'Werwolf' inspiriert wurde. Pintos Werdegang lässt sich im Roman wiederfinden, und seine Hauptfigur, Asher Greene, könnte durchaus eine Mary Sue sein: Er reist aus den USA für Recherche nach Haiti und geht dort den Legenden von kindermordenden Jé-rouges, 'Rotaugen', auf den Grund.


    Ich bin noch am Anfang. Schon im Intro wird es reichlich blutig, es gibt abgerissene Gliedmaßen und eine wilde Verfolgungsjagd, die die beiden Kids nicht überleben, mit anschließendem Lynchmord am zurückverwandelten menschlichen Täter. Erstmal sind also alle vorgestellten Figuren tot, das fand ich erfrischend frech. Dann fokussiert sich die Handlung auf Asher, der beide Leserichtungen bedient: die haitianische Innensicht und die fremde der reichen Industrienation. Das ist sicher als Marketing ein sehr kluger Schachzug (v.a. wenn man bedenkt, dass US-Amerikaner schon keine britischen Serien ertragen, sondern lieber neu drehen - also eine extreme kulturelle Ignoranz herrscht), allerdings hatte ich gehofft, eine Geschichte direkt aus der Innensicht zu bekommen.


    Das Buch ist spannend und wirklich unterhaltsam, eine solide Horrorgeschichte mit etwas 80s-Flair, der Stil allerdings recht schlicht, fast schon Y/A, und sicher keine literarische Wollmilchsau. Wäre da nicht der kulturelle Hintergrund, würde meine Kritik sicher negativer ausfallen, aber für ein so seltenes Werk bin ich durchaus bereit, auf Sprachkünste zu verzichten. Angenehmerweise verzichtet Pinto auf ein simples Gut/Böse-Schema.

    Was mich schon stört, ist, dass Pinto zwar in einem Mix aus auktorial und personal erzählt, aber sich immer wieder ganz offensichtlich als Autor einmischt, um Details zu erklären. Das ist gut gemeint und auch teils interessant, allerdings kickt mich das ständig aus dem Lesefluß, da hätte ich mir durchaus Fußnoten gewünscht, zumal mir die meisten Erklärungen bereits bekannt waren.


    Fortsetzung folgt ...


    Bei Interesse: hier ein interessanter Artikel, der den postmodernen Werwolfglaube Haitis beleuchtet und mit dem Kinderraub (v.a. durch weiße Baptisten aus den USA, für illegale Adoptionen) während bzw. nach den Erdbeben verbindet.

  • Brent Swancer ist ja enorm fleißig auf diesem Gebiet.

    Habe ich grad erst über den Online-Artikel kennengelernt. Sehr interessante Biografie auch, der Name sagte mir bislang nix. Gibt es Bücher von ihm, oder schreibt er nur online?


    Der Roman geht mir zusehends auf den Nerv, obwohl ich den Autor, seine Haltung und das Thema schon gut finde und das eigentlich alles mögen möchte.


    Das ist alles im gleichen Tempo erzählt, mit allen Details: Soundso war der Flug, dann geht's ins Taxi, ins Hotel, mit allen kleinen unwesentlichen Interaktionen, Eindrücken und Gesprächen. Nur ein Bruchteil davon vermittelt die Besonderheit des Settings (und wenn, wirkt es etwas krampfhaft hergezeigt). Ich mag ein einfach nicht, wenn mich Autoren durch jeden Moment im Leben ihrer Protas schleifen, genauso, wie die es erlebten. Obwohl der Autor creolischen Hintergrund hat, ist sein Prota - anders als ich eingangs erwartete - ein stino weißer, ignoranter Ami. Die Sicht kennt man, das ist eine echt vertane Chance, hier mal eine andere Perspektive reinzubringen.


    Dann gibt es einen ironisch-romantischen Subplot, der mich auch nervt (ziemlich an den Haaren herbeigezogen) und irgendwie scheint es - unangekündigt - Parallel History 2014 zu sein, denn Baby Doc Duvalier kehrt aus dem Exil zurück, und keiner wundert sich. Ich frage mich, ob das auf einen Zombie-Subplot hinausläuft.


    Naja, ich bleib dran, nicht nur wegen der Challenge. Einen Werwolfroman aus Haiti bekommt man nicht alle Tage ...

  • So, ich bin durch und nicht begeistert.


    Das liegt zum einen an reinen Geschmacksachen, ich mag nicht:

    - exzessive Dialoge (also einen Roman, der nur durch Zweier- oder Dreiergespräche nahezu immer der gleichen Figuren erzählt wird)

    - Erzählungen rein zur Unterhaltung, ohne Meta-Ebenen oder Verschlüsseltes

    - Unmotivierte Romantik und

    - zu viel Rumgeflapse / "lustige" Sprüche


    Und es liegt auch am Buch selbst, bzw. am Handwerklichen:

    - ständiger Erklärbär

    - die zweite Hauptperson (späterer love interest) ist eigentlich nur dazu da, dass wörtliche Rede anstatt innerner Monolog verwendet bzw. damit die Haltung / Herkunft des Protas hervorgehoben wird oder man sich - s.o. - Sachen gegenseitig erklären kann

    - In Szenen, in denen der Prota nicht vorkommt (wenn Leute vom Werwolf gejagt werden), wird aus auktorial-personaler Sicht der Beteiligten erzählt, sodass ich den Eindruck einer ruckelnden Perspektive habe

    - Zu viele Themen, die reim-dich-oder-ich-schlag-dich verknüpft wurden: Scheidungsprobleme, Drogenbosse, Erdbeben, das Problem "USA/Amis" und eben Werwölfe.

    - Unfreiwillig lustige bzw. sehr ungelenke Sprache, vor allem, wenn es um Action oder Gewalt geht

    - Comic relief an unangemessenen Stellen (meist in blutigen Szenen)


    Bei Baby Doc Duvalier muss ich mich korrigieren - ich dachte, er sei bereits vor 2014 gestorben, das muss also kurz nach Fertigstellung des Romans passiert sein. Die potentielle Storyline bleibt ungenutzt und beschränkt sich auf name dropping, ein Interview, eine Szene mit Autocorso. Da steckte ja massig Sprengstoff hinter, und Konflikte.


    Gelernt habe ich eine Sache: wie ich mir auch dachte, ist der Werwolfglaube aus Frankreich eingeschleppt worden, aber in Afrika gab es eine Wer-Hyäne, und hier im Buch ist es ein Mischwesen, also Wer-Wolfhyäne. Im Grunde eine geile Idee, weil Hyänen ja an sich schon unglaubliche Kampfmaschinen sind. Aber außer Beschreibungen, "groß", "riesiges Gebiß" und solche Floskeln, bleibt diese sehr interessante Gestalt ungenutzt.


    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Buch für Leser wunderbar funktioniert, die gern stellenweise witzigen, lockeren Horror lesen, keine besonders individuelle Sprache brauchen und einfach nur unterhalten werden wollen.


    Daher fällt mir ein Fazit echt schwer. Nach meinem Geschmack 1 Punkt, ich könnte mir aber unter anderer Sicht auch 5 oder mehr vorstellen.


    Falls jemand glaubt, das Buch könnte mehr seinen Geschmack treffen, oder wer einfach neugierig ist: Ich würde es noch für einen Artikel verwenden, aber im Frühsommer verschenken (gegen Porto, ich denke so um € 5,-). Einfach PN, bitte.