On the Shoulders of Otava, Laura Mauro

  • Aktuell erschienen im neuen Imprint ABSINTHE BOOKS bei PS Publishing.


    Ich mochte Laura Mauros Debüt-Geschichtensammlung "Sing Your Sadness Deep" bei Undertow Press schon sehr gerne. Atmosphärisch-fragil mit einem Hang zu lyrischen Beschreibungen; was mir besonders positiv aufgefallen ist, war die Zusammenarbeit der Erzählerin mit mir als Leser. Ich hatte ständig das Gefühl von großen Hintergrundgeschichten, von denen sie mir nur wenige, aber dennoch genügend Einblicke gewährt hat, den Rest muss man sich selbst zusammbasteln (falls einen das interessiert, ansonsten funktionieren auch nur die Geschichten als solche ausgezeichnet). So etwas mag ich besonders gerne an Kurzgeschichten.


    Ich bin auch schon gespannt, wie sie sich mit der längeren Form tut.


    Rein vom Setting könnte Katla ja sicher besser begreifen und erfassen, wie gut sie da arbeitet, nachdem es in Finnland spielt.


    Zum Inhalt:

    Siiri Tuokkola takes up arms for the Women’s Guard during Finland’s 1918 Civil War along with her comrades. Stationed in a remote village outpost, rumours of strange things in the woods come to a head when Siiri’s comrade Mirva goes missing in a blizzard. Determined to find her, Siiri braves the deep forest, where mysterious lights weave through the trees, and those who look upon them for too long may find themselves afflicted by a strange madness. But there are worse things in the forest than lights, and Siiri must face them if she is to find Mirva before it’s too late.


    Zum BUch:

    A NOVELLA by Laura Mauro
    CATEGORY Supernatural / Folklore
    PUBLICATION DATE December 2020
    COVER ART Vince Haig
    PAGES 80
    EDITIONS
    Unsigned Jacketed Hardcover — ISBN
    978-1-786366-96-2 [£15]
    100 JHC signed by the author — ISBN 978-1-786366-97-9 [£22]


    Verlagseite: https://www.pspublishing.co.uk…by-laura-mauro-5120-p.asp

  • Erik R. Andara Sehr interessant, vielen Dank! Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Werde ich mir auf jeden Fall mal anschauen, ich hab auch mal - mit einem ungeheuren Rechercheaufwand - eine spekulative KG über den finnischen Bürgerkrieg geschrieben; das findet man sehr, sehr selten hier.


    Otava ist einer der vielen Namen des Bären, der im finno-ugrischen Kulturkreis der höchste Gott und Vater der Menschheit ist. Durch die späte (aber gewaltvolle) Christianisierung, die in Teilen der ehemaligen Sowjetunion immer noch nicht abgeschlossen ist, besteht dieser Glaube in Fragmenten (auch in Finnland) noch heute; und hat sich bis in die Popkultur gezogen.


    Was da im Wald los ist, hängt vemutlich mit dem karelischen heidnischen Weltbild (im wahrsten Sinne des Wortes, als Konstruktion der Welt/en) zusammen, das mit Abstand das komplexeste ist, von dem ich je gelesen habe. Vielleicht ist es natürlich auch nur ein beliebiger Waldgeist/-dämon im postmodernen Sinne.


    Ich hoffe ja, irgendwann übersetzt jemand Tiina Raevaaras "Der Tag, an dem der Himmel leer war" ...


    p.s.

    Okay, der Name ist recht ambivalent, nachdem sie nicht in unseren Stadtbibliotheken gelistet ist, schaute ich auf ihren Blog. Sie ist keine Finnin, wurde in Uk geboren und lebt dort.

    Sie gibt an, die Konzepte des Kalevala verwendet zu haben. Das ist eine bürgerlich / schwedisch / lutheranische Verarbeitung von traditionellen Karelischen (teils magischen) Liedern, allerdings ohne die Kultur verstehen zu wollen und mit einigem fiesen Kulturchauvinismus. Die runolaulut (lyrische Lieder, nicht Runenlieder) wurden von Lönnroth zu einem literarischen Epos zusammeneditiert und neugeschrieben. Für die Originalkultur hatte er nichts als Verachtung übrig. Damit sieht das schon etwas anders aus, wie sie das wohl verwendet, aber wenn sie Hilfe bei der Recherche hatte (das meiste gute ist auf Finnisch), kann das durchaus interessant sein.


    Was mich jetzt interessiert ist, ob sie den sehr typsichen Erzählstil und -haltung des postmodernen finnischen spekulativen Realismus übernimmt / imitiert. Ihr kurzes "Sun Dogs" hatte ich in einer Anthologie gelesen, gefiel mir aber nicht, daher sagte mir ihr Name nix mehr.

  • Laura Mauro war heute Ehrengast auf der KauhuCon, der Helsinkier Horrorconvention, die von der hiesigen HPL-Gesellschaft sowie einer Reihe Genreverlagen organisiert wird. Erst, als die frisch erschienene finnische Übersetzung rumgezeigt wurde, zählte ich eins und eins zusammen, ich war mehr so generell dort. (Mein Hirn!) Marko Hautala führte das extrem kluge und lockere, entspannte Interview.


    Dauer eine Stunde, dabei ging es v.a. um die Recherche, da sie kein Finnisch spricht, es aber im Grunde keine Literatur auf Englisch über den Bürgerkrieg gibt - davon kann ich ein Lied singen, eine ganze Oper sozusagen. Sie sagte, sie habe finnische Freundinnen in London, die ihr einige Bücher übersetzten (ich denke, sie meinte Passagen davon). Auf das Thema kam sie, als sie über den japanischen Bürgerkrieg - von dem ich nix wusste - recherchierte und über die russischen Waffen dann auf Finnland kam (hier wurden sie via russische Versorgung auf der finnisch-kommunistischen Seite ebenfalls genutzt).


    Sie gab an, als Außenseiterin extra im Roman keine Stellung bezogen zu haben, weil "beide Seiten Schlimmes taten" - was auf der einen Seite verständlich ist, auf der anderen aber auch recht schwierig. Denn Folter und Massenmorde wurden nahezu ausschließlich und in hoher Zahl von 'weißer' (der finnische Begriff für Faschisten damals) gegen die 'rote' Seite verübt. Andererseits sah und sieht man in Finnland auch den kommunistischen Horror später und hat so seine Probleme, da nun wieder mit dem Finger zu zeigen. Die Aufarbeitung hat eigentlich erst vor knapp 10 Jahren begonnen, und ein heikles Thema selbstverständlich eh, wenn man da als Deutsche/r drüber mitredet. Laura hat da auch einen zwiespältigen Hintergrund, der bis heute ebenfalls auf allen Seiten böses Blut hochkochen lässt, denn sie ist in London geboren, aber ihre Familie kommt aus Irland - ist sie dort zu Besuch, sei sie eine automatisch - obwohl eigentlich gar nicht von ihrer Haltung her - eine der "tans" (von black & tans - die britische okkupierende Polizei, das ist eine massive Beleidigung / Anschuldigung).


    Sie erzählte noch, dass sie sowohl in einer Deathmetal-Band Sängerin war (sie sagte, sie könne "schlecht singen") und absoluter Fan von ProWrestling ist, das auch selbst mal hobbymäßig gemacht hat. Dann war sie im Krankenhaus angestellt ("the world's most extreme liminal space") und seit kurzer Zeit Gamewriterin ist. Ende des Jahres kommt das erste raus, etwas mit Luna im Titel.


    Zum Schreiben sagte sie: Sie könne nicht planen, weil ihr Hirn dann meine, der Roman wäre bereits geschrieben = abgehakt. Sie würde den Anfang genau planen, das Ende vage und zwei, drei Punkte in der Mitte. Alles eher wie eine Landkarte. Der Rest wäre Intuition, ungeplant.


    Ihre Lieblingsform sei die Kurzform (KG), vor dem Roman hatte sie nur eine Novelle (vllt. eher Novelette) veröffentlicht. Ihre eigene Lieblingsgeschichte sei "Sundogs".


    Ich bin keine Heilige und obwohl nie missgünstig, nagte es doch etwas an mir, dass es von überall hieß: "Ist ja irre interessant, wahnsinn, dass eine ausländische Schreiberin den finnischen Bürgerkrieg bearbeitet, das hats nie gegeben (wohl abgesehen von einem dänisch-norwegischen Autor) und die Sicht ist ja so besonders!" und ich wollte am liebsten mit meinen Ärmchen winken und sagen: Ich hab da auch so eine winzige Geschichte und hab da ganz viele Bücher auf Finnisch und monatelang und so ... Naja. Hehe, das kommt davon wenn man alt und unbekannt ist! [LiZ] Needless to say hab ich den Mund gehalten und mich nicht zum Affen gemacht.


    Laura sagte sehr spannende Sachen zum Thema 'Horror': dass es für sie weniger ein Genre sei als ein Gefühl, das in allen möglichen Genres verpackt wäre (gibt es als Theorie schon lange, sie hat es aber dennoch sehr frisch und individuell ausgeführt); dass die Situation gerade der Horrorschreibenden in UK sehr schlecht sei (nur kleine Indieverlage), dass es mit Fantasy und SF nicht anders ginge, aber wenn man Vertreter der drei Genres in einen Raum einsperrte, jeder den anderen beschuldigte, es auf dem Markt leichter zu haben. Hehe. Das ist in Finnland auch so, und ich meine - mit meinem wesentlich geringeren Einblick - auch in deutschsprachigen Ländern.

    Wenig überraschend meinte sie, dass alles als Thriller vermarktet würde, und: "These days, thriller is the acceptable face of horror". Gut gesagt!


    Den Roman hab ich immer noch nicht gelesen, aber denke auch - nachdem ich von den Quellen der Recherche und ihrer Haltung dazu hörte -, dass ich es vielleicht auch nicht lesen werde. Auf jeden Fall eine spritzige, enthusiastische junge Autorin, was einfach immer schön zu erleben ist. Fotos gibts noch keine.