John Cussans: Undead Uprising. Haiti, Horror and the Zombie Complex
Strange Attractor Books, London 2016
ca. 400 S. illustriert
Knapp € 30,- Neupreis, EDIT beim Verlag und einigen Plattformen vergriffen
Homepage mit spannenden Infos
Haiti ist zwefellos ein Ort der Extreme: Armut, Ausbeutung, Naturkatastrophen, eine - unverschuldet - gescheiterte Revolution, die die Insel politisch unabhängig machte und sie gleichzeitig quasi vom Rest der Welt abschnitt. Es ist aber auch ein Ort, an dem das Übernatürliche mit dem Alltäglichen tatsächlich zusammenzufallen scheint: Im Vodunglaube fahren Götter in die Gläubigen, reiten sie wie Pferde und leben durch sie ihre speziellen Vorlieben aus; Zombifizierung ist ein sozialpolitisches Korrektiv, das bis heute nicht vollständig geklärt werden konnte (-> Davis: The Serpent and the Rainbow) und es existiert eine ausgesprochen innovative, kritische Kunst- und Literaturszene, die oft sich aus Folk Traditions speist und spekulative Momente aufweist (-> Etwidge Danticat: Krik? Krak!). Und nicht zu vergessen die Terrorherrschaft der Duvaliers, Papa und Baby Doc, deren folternde Miliz angeblich aus Zombies bestand.
Das Zombiemotiv hat sich seit Night of the LIving Dead von diesen Wurzeln gelöst und wurde in den späten 70ern ein Vehikel für Sozial- und Konsumkritik (wenn man die späteren Virus-/Action-Varianten des Popcornhorrors ausnimmt). John Cussans verbindet den haitianischen Ursprung der Untoten mit politischer Kulturkritik und der 'Angst vor dem schwarzen Mann' - wie er auf seiner Homepage sagt: "My book explores the uses of Haiti as a locus for Euro-American fears about African culture, religion and revolutionary excess in the Americas, and their sublimation into popular horror tropes."
Ich habe mir einige Texte von Cussans angeschaut und bin wirklich schwer begeistert, das ist innovative Kulturkritik, die nichts mit anbiedernder PC:ness zu tun hat und sich nicht selbst exhibitioniert. Vor langer Zeit hatte ich extensiv zu Haiti, Vodun und realen 'Zombies' recherchiert und die lokale postmoderne Kultur bewundert - das Buch werde ich mir näxte Woche (Gehaltzahlung : D) zulegen und bin sehr gespannt, was sich in den letzten 20 Jahren bei diesem Thema getan hat.
Dr. John Cussans ist ein britisches Multitalent, das sowohl in der strengwissenschaftlichen Kulturtheorie bzw. anthropologischen Feldforschung wie auch in der anarchistisch-unabhängigen bildenden Kunst / Projektarbeit zu Hause ist. Immer gebrochen durch das Bewusstsein seines 'spectator's gaze', gelingt es ihm, indigene Kulturen aus einer verständigen Innensicht zu behandeln, ohne seine eigenen Wurzeln zu negieren bzw. seine Kultur zu projizieren. Er ist mit dem Haitianischen Videoprojekt Tele Geto (bei dem Jugendliche die Folgen des Erdbebens von 2010 dokumentierten), wie auch mit traditionellen Riten & politischen Aktionen der nordamerikanischen First Nation eng verbunden. Seine Herangehensweise ist - möglicherweise ähnlich wie die Kulturtheorien Mark Fischers - Kapitalismuskritik, Dekolonisierung und De-Zivilisierung (i.e. Kritik am Massenkonsum / global economy).
Sein aktuelles Projekt: The Skullcracker Suite - Homepage mit Photos, Essays und Videos hier.