Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem – Das Rosazimmer


  • Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem: Das Rosazimmer

    Max Seyfert. Dresden 1921 (6. und 7. Auflage)

    278 Seiten


    Inhalt

    Kurz vor Ausbruch des Italienisch-Türkischen Kriegs (1911 – 1912): Dem Marchese von Terraferma dalla Luna, Don Gian, ist in seiner Eigenschaft als italienischer Diplomat ein wichtiges Geheimdokument anvertraut worden. Die türkische Regierung hat logischerweise großes Interesse daran. Während einer Stippvisite in seinem venezianischen Palazzo wird Don Gian das Dokument entwendet – pikanterweise von Xenia, der Witwe seines verstorbenen Bruders. Der Diplomat hatte sie schon vorher im Verdacht, als Spionin tätig zu sein. Die Frage ist nur, wie die abgefeimte Schwägerin aus ihrem Zimmer – dem Rosazimmer – in Don Gians oberhalb gelegene Räumlichkeiten gelangen konnte: hatte letzterer doch alle Türen mit Sicherheitsschlössern verriegelt …

    Don Gian muss im Auswärtigen Amt zähneknirschend den Verlust des Dokuments eingestehen. An dieser Stelle kommt Dr. Xaver Windmüller, der berühmte Gentleman-Detektiv, ins Spiel. Er nimmt sich des Falls an und kann rasch die Unschuld des Bestohlenen, der mittels eines Betäubungsmittels ausgeschaltet wurde, beweisen.

    Doch wo steckt Xenia? Von ihr fehlt jede Spur. Gibt es in dem alten Palast tatsächlich geheime Wege und einen Unterschlupf, in dem sich die Gesuchte möglicherweise versteckt?


    Hintergrund

    Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem (1854 – 1941) – eine heute vergessene Schriftstellerin, die mit ihren regelmäßig im Adelsmilieu spielenden Büchern voll im Trend der Kaiserzeit und darüber hinaus lag. In mehr als einem ihrer zahlreichen Romane gibt sie zudem ihrer Vorliebe für geisterhafte und visionäre Erscheinungen Raum. Das „Rosazimmer“ bildet davon keine Ausnahme. Mehr noch als das phantastische steht hier allerdings das kriminalistische Element im Zentrum. Der Gentleman-Detektiv Windmüller ist wohl das Zugeständnis an jenes literarische Phänomen, das einst Arthur Conan Doyle mit seinem Superhirn Sherlock Holmes losgetreten hatte. Da Windmüller keine Berührungsängste, ja sogar respektvolles Verständnis für das Übersinnliche hat, trägt er nicht zuletzt zum Sub-Genre der „okkulten Detektivgeschichte“ bei.


    Zitat

    „Durchaus nicht – nicht einmal in Gedanken“, rief Windmüller lebhaft. „Lieber Himmel, wenn ich zu den Leuten gehörte, die über alles lachen, was sie selbst nicht empfinden können, dann würde ich’s in meinem Berufe, den ich von einer sehr psychologischen Seite auffasse, nicht so weit gebracht haben, als es tatsächlich der Fall ist. Ich gehöre auch aus Überzeugung nicht zu denen, die nur glauben, was sie selbst sehen, fühlen und hören, sondern ich gestehe anderen unbedingt die höhere Gabe zu, mehr hören und sehen zu können als der Durchschnitt. Mir ist nicht kurzweg „Einbildung“, woran ich selbst nicht teilnehmen kann, auch wenn ich keine sogenannte „natürliche“ Erklärung dafür weiß, – schon weil ich eben nicht zu den Philistern gehöre, für die es kein Ding zwischen Himmel und Erde gibt, das sie sich nicht ganz leicht erklären könnten. Ich stehe also ganz auf Hamlets Seite – “


    Meinung

    Das „Rosazimmer“ ist kräftig mit den Zutaten der Trivialliteratur gewürzt. Irrungen und Wirrungen ergeben sich allein aus der „Ständegesellschaft“ jener Epoche – es wird großen Wert auf Etikette gelegt. Die obligate Liebesgeschichte sowie der gutmütiger Humor der Autorin runden den unterhaltsamen Cocktail ab. Die Spannung, was denn nun mit der Spionin geschehen ist, wird bis zum Ende aufrechterhalten. Trotz des Untertitels „Venezianischer Roman“ beansprucht der alte Terraferma-Palazzo den Großteil des Geschehens. Die konzentrierte Suche nach des Rätsels Lösung innerhalb des Rosazimmers rückt die ganze Chose in gewisser Weise in die Nähe des „Locked-Room-Mystery“. Unterm Strich: ordentliche Lesekost mit dem typischen, etwas betulichen Kolorit der Zeit.


    Drei von fünf Daumen.


    :thumbup::thumbup::thumbup:

  • Vielen Dank für die Vorstellung - weder Autorin noch Titel waren mir geläufig.


    Ich finde gerade keinen Beleg, aber stand nicht das Adjektiv "venezianisch" abseits geographischer und kultureller Zuordnung einst auch für etwas Maskiertes, Verwirrspielartiges?

  • Das ist ja interessant. Ich habe den Roman im September 2014 gelesen, als ich mir vorgenommen habe, die Wikipedia-Liste der phantastischen Autoren alphabetisch zu lesen. Nach der Lektüre "Das Rosazimmer" habe ich, glaube ich, das Vorhaben abrupt beendet. Ich schrieb zu meinen Notizen: "Netter Kriminalroman in Venedig spielend; erinnerte gegen Ende teilweise an Stücke des Volkstheaters;. ..." Da ich das Buch nicht mehr besitze, ist es wohl auf die Liste "Bücherschrank" gekommen. Aber so schlecht scheine ich es auch nicht gefunden zu haben, sonst hätte ich es nicht in vier Tagen ausgelesen.

  • als ich mir vorgenommen habe, die Wikipedia-Liste der phantastischen Autoren alphabetisch zu lesen

    Wow, ein sportliches Vorhaben! Ich formuliere es zwar für mich nicht so … aber habe doch den Anspruch, mir vor allem über die "klassischen" Veröffentlichungen einen Überblick zu verschaffen (was natürlich dazu führt, dass ich von den gegenwärtigen Sachen nur recht wenig lesen kann).


    "Netter Kriminalroman in Venedig spielend; erinnerte gegen Ende teilweise an Stücke des Volkstheaters;. ..."

    Eine schöne, prägnante Charakterisierung. Da aber hier wie auch in anderen Romanen der Adlersfeld-Ballestrem Geistererscheinungen prophetisch entscheidend ins Geschehen eingreifen, ist sie eben auch ein Fall für die Phantastik.

  • Demnach bist du also bis "A" gekommen, oder wie darf ich das verstehen? ;)

    Vollkommen richtig. Als ich nach Kobe Abe und Eufemia Adlersfeld zuhause mein gewaltiges Projekt vorstellte, wurde mir sehr schnell deutlich gemacht, dass hinsichtlich des Platzes und der finanziellen Anstrengung, die teilweise hinter der Anschaffung einzelner Romane steckte, ich das Vorhaben sehr schnell aufzugeben habe ;) . Was ich dann auch notgedrungen einsah. Ich habe dann die Light - Variante gewählt und alle Autor_innen gelesen, die ich schon im Regal hatte. Aber die wenigen Tage zuvor waren unglaublich aufregend, ich war ständig am PC und habe recherchiert und verglichen, etc. Das blieb dann der anderen Seite natürlich auch nicht verborgen. Aber immerhin kann ich jetzt beim "Rosazimmer" mitreden ^^.

  • Ich habe dann die Light - Variante gewählt und alle Autor_innen gelesen, die ich schon im Regal hatte.

    Damit hat manch einer schon genug zu tun, ich eingeschlossen.


    Ich habe übrigens die Tage einen weiteren Roman von Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem ausgelesen: Die Fliege im Bernstein. Die Story beginnt in Venedig und wechselt dann nach Rom. Dr. Windmüller hat einen kurzen Auftritt. Mal sehen, ob ich noch einmal eine ausführliche Vorstellung zusammenfabuliere.

  • R.N.Bloch führt in seiner Bibliografie folgende Titel von der adligen Dame:


    1.Ca´Spada .Eine Tragödie aus dem alten und ein Mysterium aus dem modernen Venedig-


    2.Maria Schnee.Der Roman des Rätsels.


    3.Die Dame in Gelb.Eine sonderbare Geschichte.


    4.Unheimliche Geschichten.


    5.Die Erzählungen der Elf


    6.Im Zwielicht.Unheimliche Geschichten.


    7.Gefüllte Datteln.Roman (auch: Der geheimnisvolle Gast).


    Davon ist z.Z. vieles für den Kauf nicht zugänglich. O.g. Bücher sind fantastisch (unheimlich) oder enthalten fantastische Elemente. Gutenberg-Bibliothek führt leider auch nichts davon.


  • Ich habe für unsere UNTOTEN KLASSIKER auch schon bezüglich Euphemia von Adlersfeld-Ballestrem recherchiert - einer ihrer Kurzgeschichtenbände würde mich durchaus reizen. Im "Lexikon der Horrorliteratur" von Alpers/Fuchs/Hahn aus 1999 kommt sie durchaus gut weg - dort wird "Die Dame in Gelb" als ihr phantastisches Hauptwerk genannt ...


    Lg,

    JP

  • Ich habe jetzt 3 Romane von der Adlersfeld-Ballestrem gelesen: Das Rosazimmer, Die Fliege im Bernstein und Die Dame in Gelb (in der Fassung, wie sie in der Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens erschien). Bereits diese drei Bücher sind sich in Grundzügen recht ähnlich, so dass mir ausgerechnet Die Dame in Gelb nicht im Sinne eines Hauptwerks herauszustechen scheint. Die Zutaten sind obligat: Adelsmilieu, Antiquitäten, prophetische Erscheinungen, visionäre Träume, ein Verbrechen … Wäre nicht jeweils das ausgeprägt kriminalistische Element vorhanden, so würden sich diese Werke in keiner Weise von der damaligen Unterhaltungsliteratur abheben. Was die Geistererscheinungen betrifft, so sind sie hier eher wohlwollend und hilfreich und erzeugen durchaus kein Gefühl des Grauens.


    Ich bekenne, dass ich diese Art Literatur gerne lese (und von daher eine Neuausgabe begrüße!). Muss aber auch ehrlich sagen, – und da wiederhole ich mich, s. o. – dass mir die Schreibe der Autorin betulich und selbst für ihre Zeit antiquiert vorkommt.

  • Zitat von Jo Piccol

    Ich habe leider bis jetzt noch nichts von ihr gelesen, möchte dies aber demnächst nachholen

    Falls du noch an Novellen von Adlersfeld-Ballestrem interessiert bist, kann ich dir gern mit dem Text gern aushelfen.

    Ich besitze ca. 50 Titel der Autorin.