Grady Hendrix - The Southern Book Club's Guide To Slaying Vampires

    • Offizieller Beitrag

    Für den Buchtitel sollte Hendrix schon einen fetten Sonderpreis erhalten. Für mich der Titel des Jahres! ^^


    Hendrix spielt gerne mit Klischees und Verweisen auf die Popkultur und dreht an vermeintlich bekannten Schrauben des Genres, bis was vollkommen unerwartetes dabei herauskommt. In erster Linie machen seine Romane einfach Spaß. Man lacht über manche Absurditäten und dann bekommt man richtig schön mit dem Hammer eins aufs Fressbrett verpaßt. So auch hier.


    Erstmal bekommt man die typische Geschichte von einem attraktiven Fremden, welcher in eine 90er Vorortnachbarschaft zieht. Der Typ verläßt nur im Dunkeln das Haus und aus dem städtischen Armeleuteviertel verschwinden Kinder bzw. kommen zu Tode. Das erinnert zuweilen stark an "Meine teuflischen Nachbarn" oder "Fright Night". Also eine aus der Popkultur bekannte Situation. Dummerweise gibt es allerdings einen Lesezirkel. Die Damen lesen sehr gerne True-Crime-Bücher. Und als eine der Damen misstrauisch wird, nimmt die Geschichte eine gänzlich andere Wendung als erwartet. Trotz Klappentext und dem was ich hier geschrieben habe, wird man definitiv über den Storyverlauf überrascht.


    Schade, dass es bislang keine weiteren Veröffentlichungen von Hendrix auf dem deutschen Markt gibt. Bereits "We sold our Souls" hat mir sehr gut gefallen.


    Hier gibt es die Schulnote: 2+

  • Allerdings wieder mit einem Titel, der jeglichen Charme des Originals missen lässt und sich einfach nur nach nem Rohrkrepierer anhört.

    Der Heyne-Verlag ist in dieser Beziehung besonders schlimm. Ich finde es auch immer extrem sinnfrei, einen englischen Titel, für den deutschen Markt durch einen anderen englischen Titel zu ersetzten (???).

    MMn sind solche Namensänderungen auch ein starker Eingriff in das Werk des Künstlers und sollten generell abgeschafft werden. (Hat man als Autor eigentlich ein Mitsprache- bzw. Veto-Recht, wenn ein Buch fürs Ausland übersetzt wird?)

    Oh, aber fein, dass der übersetzt wird!

    Definitiv.

  • Hab das Buch gestern endlich fertig gelesen - nahezu in einem Rutsch. Es hat mich fertig gemacht, war sehr unangenehm und stressig (alles im positiven Sinne).


    Die ersten ~100 Seiten empfand ich zunächst als schleppend, weswegen ich es immer wieder zur Seite gelegt hatte. Die Protagonistin ist Patricia, eine ewig gestresste und überforderte Kleinstadtmutter im klassischen Familienbild: Vater geht den ganzen Tag arbeiten, lässt seine Frau mit den zwei Kindern und dem gesamten Haushalt permanent allein und nimmt eigentlich die Situation für selbstverständlich. Patricia versucht, dieses Leben so gut es geht auszufüllen und dabei vor allem immer das gute Image der Familie und des Städtchens zu bewahren. Denn - und das ist ein roter Faden durch den gesamten Roman - es ist in diesem Leben grundsätzlich sehr wichtig, was andere Menschen von einem denken.


    Das sind also die Startbedingungen des Romans. Zu Beginn ist das noch irgendwie sympathisch, schließlich erkennt man diese gesellschaftlichen Konstellationen aus vielen anderen Geschichten wieder, weiß im Grunde genommen, wo das Ganze hinausläuft. Doch Patricias Sorge um den guten Ruf und ihre permanente Überforderung mit jeglicher Situation außerhalb ihres gewohnten Alltags machen eben auch den Anfang des Romans zäh.


    Doch genau das ist extrem lohnenswert, denn nahezu ohne Vorwarnung kommt die 180°-Drehung und der Roman wird eine wilde Fahrt voller Gaslighting, Frauenfeindlichkeit und (institutionellem) Rassismus, gewürzt mit einer gehörigen Portion Blut, Horror und Ekel. Immer und immer wieder wird Patricia von ihren Mitmenschen (insbesondere von ihrem Ehemann und dessen Kumpels) gegaslighted, bis hin zur Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus. Dieses Buch zu lesen ist einfach unangenehm - aber deswegen auch wieder sehr gut.


    Mein persönliches Fazit: Freizeitaktivitäten abgesagt um lesen zu können, zweimal fast ins Buch gebissen, halbe Flasche Rotwein beim Lesen gekillt --> would recommend.

  • Bin jetzt halb durch und bin etwas underwhelmed, um ehrlich zu sein. Solide Unterhalting bisher, übt aber bei Weitem nicht dieselbe Faszination aus wie "Der Exorzismus der ..." , das mich ja vor allem in der Lebensbeschreibung des Mädchens gefangen hielt. Ich hoffe da kommt noch etwas mehr.

  • Hmmm, ich bin zwiegespalten. Die eigentliche Geschichte ist in den besten Momenten nett, recht viel mehr aber auch nicht. Was er mit dem Frauenthema allerdings macht ist sehr lesenswert und gut erzählt. Alles in allem hat es mich unterhalten, zum Schluss war allerdings wieder etwas die Luft raus, da war ich froh, dass es vorbei war.

  • Hab mich gestern durch die ersten 120 Seiten durchgekämpft. Liest sich bisher wie die Romanversion einer "Desperate Housewives"-Folge (tratschende Hausmuttis auf der Suche nach dem nächsten Kick). Ich fand den Einstieg jedenfalls extrem langweilig und die Figuren größtenteils echt nervig. Mal abwarten...

  • Ja. Ich bleibe auch definitiv am Ball und warte sehnsuchtsvoll auf die von dir und Royston erwähnte "180°-Drehung".

    Ich behaupte aber einfach mal schon jetzt: Das Buch ist zu lang. 120 Seiten Exposition hätte es jedenfalls nicht gebraucht.

  • Bin jetzt durch und sehe es so wie Erik:

    Die eigentliche Geschichte ist in den besten Momenten nett, recht viel mehr aber auch nicht. (...) zum Schluss war allerdings (...) die Luft raus, da war ich froh, dass es vorbei war.

    Das Buch war größtenteils schon ziemlich langatmig und langweilig. Den großen Twist muss ich auch irgendwie übersehen haben, denn am Ende läuft doch alles genau so ab, wie man es von Anfang an gedacht hat - Der geheimnisvolle Nachbar ist wirklich ein Vampir und wird vom Buchclub zur Strecke gebracht. Gähn! Ich muss aber gestehen, dass ich die letzten 200 Seiten auch nur noch quergelesen habe. Vielleicht habe ich also irgendetwas verpasst.

  • Ich fand den Roman außerordentlich gut und habe den Horror gerade in der ersten Hälfte des Romans goutieren können. Die Fallhöhe in die Hendrix Patricia für den zweiten teil des Romans bringt, ist bemerkenswert. Und gerade dieser Horror, die Aktivitäten das Alltagsleben weißer Mittelstandsfrauen im Süden der Staaten in den 90ern, hat mich voll erwischt. Hegemoniale Männlichkeit, institutioneller Rassismus ... solche Themen mit Horror, Humor und Verve in einem Roman unterzubringen, Respekt! Worum es geht, sagt ja schon am besten der englischsprachige Titel: Um einen Buchclub von Mittelstandshausfrauen, die allesamt im Stress stehen, ihren Männern den Rücken freizuhalten, die Kinder großzuziehen und den Haushalt zu bewältigen. das nimmt bewusst bei Grady Platz ein und genauso, also in dieser Breite und Länge, muss das auch, um den Lesenden an der Nase herumzuführen. Denn eigentlich verachtet man diese Trivialität des Daseins, diese selbstgewählte Hilflosigkeit der Frauen, die ihrem Leben in Putzen, Kirche oder Status einen Sinn geben. Und eben dem Buchclub, in dem sie sich vor allem über wahre Verbrechen auszutauschen pflegen. Umso quälender Patricias Entwicklung, als ein Fremder in die Nachbarschaft zieht, von dem sie glaubt, er sei ein Vampir. Es passt alles so schön: Ihr Mann, angesehener Psychologe, hysterisch werdende Hausfrauen eines Buchclubs, die glauben, einem Verbrecher auf der Spur zu sein und dann der Sturz in der Mitte der ersten Hälfte. Er kommt wie ein Schlag in die Fresse, als die Männer entscheiden, dass die Frauen verrückt geworden seien. Jetzt war natürlich klar, was folgen sollte: Es würde weiter mit dem Fremden gehen, Hendrix hat nur Anlauf genommen. Und in From Dusk till Dawn-Manier wird es ab der zweiten Hälfte brutaler und blutiger. Und auch das beherrscht Hendrix.


    Äußerst positiv: Die Gedankeneinschübe der Frauen. Wie kann man Blut am besten wegputzen, sind alle Weihnachtsgeschenke gekauft worden (mitten in einer spannenden Szene!). Herrlich!


    Fazit: Ein Jahreshighlight für mich und ganz speziell ist, dass ich Royston folge: 9,25 Desinfektionsmittelsprays von mir.